Samstag, 25. August 2012

Der erste Monat als "ehrenwerter" Korridorpensionist hatte seine Tücken

Ich wusste schon seit Monaten, dass ich die erstbeste Gelegenheit nützen würde, um dem AMS zu entkommen. Bei meinem letzten Kontrolltermin - das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Letzter Kontrolltermin beim AMS! - wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass ich mich kurz vor Antritt der Korridorpension noch einmal beim AMS telefonisch melden sollte, um mögliche finanzielle Nachteile zu vermeiden. Bei der Gelegenheit wurde mir auch gesagt, dass ich gleich viel Geld bekommen würde wie sonst, wobei nicht berücksichtigt wurde, dass ich neben der Notstandshilfe auch noch die bedarfsorientierte Mindestsicherung als ergänzende Transferleistung bezogen habe. Wenige Tage vor Antritt der "ehrenwerten" Korridorpension nahm ich mein Smartphone Marke Motorola DEFY zur Hand, wählte die Nummer des AMS und sagte brav meinen Spruch auf. Am anderen Ende tat man so als würde es bedauert werden, dass ich keinen Wert mehr auf die Betreuung durch das AMS legte und die Dame fragte besorgt nach, ob ich mir das auch gut überlegt hätte? O ja, den Schritt hatte ich mir mehr als gut überlegt und es müsste gehörig an meinem Verstand gezweifelt werden, wenn ich jetzt noch wankend geworden wäre.

Im Bescheid vom 29. November 2011 wurde mir von der MA 40 die Mindestsicherung für den Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis zum 31. Mai 2012 zuerkannt. Mit 1. Juni 2012 würde ich die Korridorpension antreten, also stellte ich keinen Antrag mehr auf die Mindestsicherung, sondern bloß einen Antrag auf die Mietbeihilfe für Mindestpensionisten der MA 50 in der Höhe von Euro 104,40 pro Monat. Um diese Zeit zog mein zuständiges Sozialzentrum von der Schanzstraße in die Schlachthausgasse um und so sandte ich den Antrag in den dritten Bezirk und harrte der Dinge, die da kommen würden.

Für alle Personen, die sowohl Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe und zusätzlich die Mindestsicherung als ergänzende Transferleistung bziehen ist zu beachten, dass die Mindestsicherung im Voraus bezahlt wird, Bezüge vom AMS sowie die Pensionen aber im Nachhinein. So kam es, dass ich zwar mit Stichtag 1. Juni 2012 "ehrenwerter" Korridorpensionist war, die erste volle Pension aber erst am 1. Juli 2012 aufs Konto überwiesen bekam.

Der Pensionsbescheid der PVA ist übrigens der einzige Bescheid, der im Nachhinein zugestellt wird, gewöhnlich in der ersten Woche nach Antritt der Pension.

Mit 4. Juni 2012 war der Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt datiert, wo mein Anspruch auf die Korridorpension ab 1. Juni 2012 anerkannt worden war. Beigelegt waren eine Belehrung über das Klagerecht, Informationen über die Anweisung der Korridorpension auf mein Pensionskonto, verschiedene Meldehinweise, eine Übersicht über die Pensionsberechnung sowie die Broschüre der PVA "Information für Bezieher/innen einer Alterspension, vorzeitigen Alterspension, Korridorpension und Schwerarbeiterpension" mit Ergänzungen.

Ich war angenehm überrascht über die Höhe meiner Korridorpension, auch wenn ich nunmehr keine Gebührenbefreiung mehr für Radio und Fernsehen in Anspruch nehmen kann und auch keinen Kulturpass mehr beantragen darf. Was die Rezeptgebührenbefreiung betrifft, so bin ich lebenslang davon befreit, weil ich eine ansteckende Krankheit habe, nämlich Hepatitis C mit Leberzirrhose im Anfangsstadium.

Gegen Mitte Juni geriet ich doch in leichte Panik, weil ich befürchtete, dass ich im ersten Monat meiner Pension lediglich mit dem Geld des AMS auskommen musste und das waren ganze Euro 551,49. Ende Juni bekam ich einen Bescheid der MA40, der mit 26. Juni 2012 datiert war. Zwar wurde mein Antrag vom 24. April 2012 auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs für den Zeitrum vom 1. Juli 2012 bis 30. September 2012 abgewiesen. Dafür wurde mir eine Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs für den Zeitraum vom 1. Juni 2012 bis 30. Juni 2012 in der Höhe von Euro 221,77 sowie ein über den Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs hinausgehender Bedarf eine Mietbeihilfe für den gleichen Zeitraum in der Höhe von Euro 169,34 zuerkannt.

Nun sah die Welt schon wieder sehr viel freundlicher aus und ich konnte mir endlich eine Anschaffung leisten, die sich bisher nie ausgegangen war. Am 28. Juni 2012 kaufte ich mir ein dreiteiliges Regal für meine Sammlung von Audio-CDs um Euro 209,70. Die drei bisherigen Regale änderten ihre Bestimmung, eines enthält jetzt einen Teil meiner Bücher, das zweite die DVD-Sammlung und das dritte steht im Vorzimmer und dient nunmehr als Kleiderablage. Mit einem Schlag hat sich das Zimmer so vorteilhaft verändert, dass (fast) nichts mehr unnötig herumkugelt.

Zum ersten Mal seit urlanger Zeit konnte ich mir spontan etwas kaufen, das ich ganz einfach haben wollte. Ohne einen Antrag stellen zu müssen, ohne bitten & betteln zu müssen, ohne mich dafür rechtfertigen zu müssen. Es ist so etwas wie eine Rückeroberung von Normalität wie es in meinen besseren Zeiten üblich war als ich noch eine gut bezahlte Arbeit hatte.

Dreiundzwanzig endlos lange Jahre lang hat es gedauert bis ich nach meinem Absturz, bedingt durch die ungerechtfertigt ausgesprochene fristlose Entlassung meines damaligen Arbeitgebers, endlich wieder ein Leben als vollwertiger Mensch und ehrenwerter Pensionist führen kann. Hatte ich zu Beginn besonders die Abwesenheit von Druck, Sanktionsdrohungen und Sinnloskursen des AMS als wahre Wohltaten empfunden, so ist es jetzt die Erfahrung, dass ich mir jederzeit etwas kaufen kann, wenn ich es will oder wenn Dinge erneuert werden müssen, wenn es also notwendig ist. Das natürlich mit Einschränkungen, denn ich rede hier nicht von Luxus, eher von bescheidenem Wohlstand und was ich so unter einem "guten Leben" verstehe.

Anfang August bekam ich einen Brief der MA40, in dem ich daran erinnert werde, einen Antrag auf Zuerkennung der Mindestsicherung zu stellen. Beigefügt waren sämtliche Formulare und Informationen, die dazu notwendig sind, um einen Antrag auf Mindestsicherung bzw. einen Folgeantrag stellen zu können. Das ist doch eine beachtliche Verbesserung gegenüber den vorherigen Zuständen in der Sozialhilfe, wo Betroffene nur zu oft mit ihren Problemen alleine gelassen worden waren. Fehlt noch, dass sich beim AMS ähnliches tut, immerhin kann ich mich noch an Zeiten erinnern, wo ich als Kunde des AMS per Postkarte daran erinnert wurde, wenn ich einen Kontrolltermin verpasst habe. Erst wenn der Ersatztermin ebenfalls nicht wahrgenommen wurde, kam es zu einer Sperre des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe bis zu dem Zeitpunkt einer Neuanmeldung. Oder wäre das nicht doch ein wenig merkwürdig angesichts kommender Verschärfungen bei den Invaliditätspensionen für Unter-50-Jährige?

Ich, “ehrenwerter” Korridorpensionist

Seit meinem Antritt in die “ehrenwerte” Korridorpension sind beinahe drei Monate vergangen. Das ist eine vergleichsweise kurze Zeitspanne, doch hat sich bereits Grundlegendes in meinem Leben geändert. Zunächst gibt es keinen Druck mehr vom AMS für mich, keine Sanktionsdrohungen mehr und auch keine Sinnloskurse mehr. Das alleine hat sich schon nach sehr kurzer Zeit unglaublich positiv bemerkbar gemacht. Denn es gibt nichts Schlimmeres als Stress für einen Menschen, der an chronischem Diabetes mellitus (Typ 2) leidet. Wer ständig immer nur auf Hochtouren läuft, und von einer Veranstaltung zum nächsten Kongress düst, der muss von schier unverwüstlicher Gesundheit nur so strotzen. So etwas ist höchstens einigen beliebten Comic-Figuren und ebenso berühmten Schauspielern bzw. den weniger bekannten Stuntman vorbehalten, nicht aber einem Diabetiker im Alter von 62 Jahren.

In den letzten Jahren hatte ich neben der Notstandshilfe vom AMS auch noch einen Bezug von der Sozialhilfe bzw, der bedarfsorientierten Mindestsicherung. Auch hier macht sich das Fehlen dieses Einkommens durchaus positiv bemerkbar. Ich muss nicht erst zum Sozialamt pilgern, wenn ich einen Antrag auf eine Leistung stellen möchte, weil irgend ein Haushaltsgerät kaputt gegangen ist und erneuert werden muss. Keine umständlichen oder unverständlichen Belehrungen mehr darüber, auf welche Leistungen ich Anspruch habe und auf welche nicht. Auch dass ich jetzt kleinere Anschaffungen just dann machen kann, wenn sie notwendig sind, ist ein ungeheurer Gewinn an Lebensqualität. Da ich dank der “ehrenwerten” Korridorpension um einiges Geld mehr zur Verfügung habe, so denke ich immer öfter darüber nach, was ich mir unter einem “Guten Leben” vorstelle.

Darüber und über viele andere, mehr oder weniger persönliche Dinge, werde ich in diesem Blog berichten. Vorher aber noch eine kurze Erklärung über die “ehrenwerte” Korridorpension. Auch wenn die Korridorpension maximal drei Jahre lang in Anspruch genommen werden kann, für Personen, die vor dem 1. Jänner 1955 geboren sind, sogar nur zwei Jahre lang, weil danach der Übergang in die Regelpension erfolgt. Pension ist Pension, warum also der Zusatz “ehrenwert”? Ganz einfach: Wer fragt eine Pensionistin oder einen Pensionisten, ob sie oder er einmal hack’nstad war? Ein Pensionist hat gewöhnlich sein Leben lang gearbeitet und geniesst im Alter so etwas wie eine Grundversorgung. Nach langen Jahren der Arbeitslosigkeit und der Entbehrungen bin ich kein “Sozialfall” mehr, sondern endlich ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft. Mit all seinen Rechten und Pflichten.

Wesentliche Anspruchsvoraussetzungen

Die Korridorpension kann bereits nach Vollendung des 62. Lebensjahres beansprucht werden, wenn die versicherte Person mindestens 450 für die Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate erworben hat und am Stichtag weder einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung auf Grund einer Erwerbstätigkeit unterliegt noch ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze bezieht.

Da das Regelpensionsalter der Frauen erst ab 2027 62 Jahre beträgt, findet die Korridorpension bis dahin nur für Männer eine Anwendung, da Frauen bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls früher die normale Alterspension antreten können.

(…) Bei Inanspruchnahme einer Korridorpension vor dem individuell frühesten möglichen Anfallsalter nach der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer wird ein zusätzlicher ungedeckelter Abschlag von 2,1 % pro Jahr, maximal 15 % in Abzug gebracht.

Kammer für Arbeiter und Angestellte (Hrsg.): Sozialstaat Österreich. Sozialleistungen im Überblick. Lexikon der Ansprüche und Leistungen. ÖGB Verlag, Wien, 14. neu bearbeitete Auflage, 2012, S. 270
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Vom "ehrenwerten" Korridorpensionisten zum "Guten Leben"

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